Ferdinand Hermann
2004-09-17 21:42:05 UTC
Unpässliche Lidl-Verkäuferinnen
Stirnband-Anordnung sorgte in Tschechien für Aufregung
LZ|NET/sp. Vielleicht ist das System Discount mehr als jedes andere darauf
angewiesen, Kosten zu minimieren und die Effizienz zu steigern. Bei diesem
steten Bemühen sind Irrwege offensichtlich nicht auszuschließen.
Toilettengänge von Filialmitarbeitern als wachsendes Ärgernis vor Augen setzte
das Lidl-Management in Tschechien eine Regelung durch, die zu einem Aufschrei
der Entrüstung führte: Für die Zeit der Menstruation wurde
Lidl-Mitarbeiterinnen auferlegt, ein Stirnband zu tragen.
Gerne haben es die Chefs in Neckarsulm, wenn Lidl bei auftretenden Problemen -
wie beispielsweise bei der Expansion in neue Länder - von Wettbewerbern
unterschätzt wird. Wie die verschlossenen Lidl-Chefs auf öffentliche Schelte
reagieren, ist indes nicht überliefert.
Der Eindruck verstärkt sich, dass die Neckarsulmer bei ihren Länderchefs sehr
viel Langmut an den Tag legen. Denn Lidl hat trotz der sich häufenden Kritik im
Nachbarland Tschechien bei der Umsetzung deutscher Gründlichkeit die Grenzen
des guten Geschmacks weit überschritten.
Heftige Reaktion in den Medien
Im Juli rauschte es im tschechischen Blätterwald wieder einmal gewaltig.
Kassierinnen mussten bei Lidl für die Zeit ihrer Menstruation im Laden ein
Stirnband anlegen, damit sie während der Arbeitszeit für die Filialleitung
deutlich erkennbar waren und somit das Privileg erwarben, ohne besondere
Erlaubnis zur Toilette gehen zu dürfen.
Dies ist - zur Wahrung des reibungslosen Betriebsablaufs - nur in Pausen
erlaubt. Die tschechische Presse, die von wachsenden Anzeigenerlösen des
Discounters profitiert, empörte sich, ersparte sich aber die Veröffentlichung
des Unternehmensnamens.
Wettbewerber sind entrüstet
Angesichts der starken Präsenz deutscher Händler in Tschechien war die
Verärgerung über Lidl wieder einmal groß, denn aufgrund nach wie vor
bestehender Ressentiments gegenüber "den Deutschen" fühlten sich viele Händler
in Sippenhaft genommen. Die Geschäftsleitungen von Plus, Penny, Norma oder auch
Globus zeigten sich entrüstet über das Verhalten des expansiven Wettbewerbers.
Dabei sind es gerade die deutschen Unternehmen der Ernährungswirtschaft, die
besser bezahlen, vorbildliche Personalschulungen betreiben und teilweise sogar
auf freiwilliger Basis der Einsetzung von Betriebsräten zugestimmt haben.
Die jüngste Lidl-Direktive war freilich nicht dazu angetan, das Bild der
deutschen Händler, deren Ladennetze mehr und mehr den einheimischen Wettbewerb
verdrängen, ins rechte Licht zu rücken.
Dabei sorgte Lidl-Discount, der in Hörfunk-Sendungen für seinen
Stirnband-Erlass mittlerweile auch namentlich angeprangert wurde, nicht das
erste Mal für negative Aufwallungen. Erst war es ein polnisches Kakao-Pulver,
das überwiegend Stärke, aber nur 30 Prozent Kakao enthielt.
Dann folgte die unrühmliche Baumfäll-Aktion, mit der Lidl eine bessere Sicht
der Kunden auf die eigenen Filialen sicher stellen wollte. Über 100 gesunde,
zum Teil sehr alte Bäume wurden ohne Genehmigung umgesägt.
Vorschrift ist aufgehoben
Inzwischen hat Lidl die "skandalöse Stirnband-Vorschrift" in aller Stille
aufgehoben. Angeblich, so ist zu hören, war die diskriminierende Anordnung
erstmalig in polnischen Lidl-Filialen praktiziert worden.
Von Lidl ist zu dem Vorgang keine Stellungnahme zu erhalten. Dort gilt das
Prinzip: "Unsere Kommunikation mit der Presse besteht darin, keine
Kommunikation zu haben."
Quelle: Lebensmittel Zeitung 26. August 2004
Related News:
Int.Wettbewerb: Lidl in CR 20. November 2003
Lidl: Alte Bäume gefällt 16. Oktober 2003
Lidl: Fällt in Ungnade
Stirnband-Anordnung sorgte in Tschechien für Aufregung
LZ|NET/sp. Vielleicht ist das System Discount mehr als jedes andere darauf
angewiesen, Kosten zu minimieren und die Effizienz zu steigern. Bei diesem
steten Bemühen sind Irrwege offensichtlich nicht auszuschließen.
Toilettengänge von Filialmitarbeitern als wachsendes Ärgernis vor Augen setzte
das Lidl-Management in Tschechien eine Regelung durch, die zu einem Aufschrei
der Entrüstung führte: Für die Zeit der Menstruation wurde
Lidl-Mitarbeiterinnen auferlegt, ein Stirnband zu tragen.
Gerne haben es die Chefs in Neckarsulm, wenn Lidl bei auftretenden Problemen -
wie beispielsweise bei der Expansion in neue Länder - von Wettbewerbern
unterschätzt wird. Wie die verschlossenen Lidl-Chefs auf öffentliche Schelte
reagieren, ist indes nicht überliefert.
Der Eindruck verstärkt sich, dass die Neckarsulmer bei ihren Länderchefs sehr
viel Langmut an den Tag legen. Denn Lidl hat trotz der sich häufenden Kritik im
Nachbarland Tschechien bei der Umsetzung deutscher Gründlichkeit die Grenzen
des guten Geschmacks weit überschritten.
Heftige Reaktion in den Medien
Im Juli rauschte es im tschechischen Blätterwald wieder einmal gewaltig.
Kassierinnen mussten bei Lidl für die Zeit ihrer Menstruation im Laden ein
Stirnband anlegen, damit sie während der Arbeitszeit für die Filialleitung
deutlich erkennbar waren und somit das Privileg erwarben, ohne besondere
Erlaubnis zur Toilette gehen zu dürfen.
Dies ist - zur Wahrung des reibungslosen Betriebsablaufs - nur in Pausen
erlaubt. Die tschechische Presse, die von wachsenden Anzeigenerlösen des
Discounters profitiert, empörte sich, ersparte sich aber die Veröffentlichung
des Unternehmensnamens.
Wettbewerber sind entrüstet
Angesichts der starken Präsenz deutscher Händler in Tschechien war die
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bestehender Ressentiments gegenüber "den Deutschen" fühlten sich viele Händler
in Sippenhaft genommen. Die Geschäftsleitungen von Plus, Penny, Norma oder auch
Globus zeigten sich entrüstet über das Verhalten des expansiven Wettbewerbers.
Dabei sind es gerade die deutschen Unternehmen der Ernährungswirtschaft, die
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--
Aldi/Hofer wird vorgeworfen: Preisdruck auf Zulieferer, Ausbeutung von
Angestellten, Verletzung von Gewerkschaftsrechten (Klaus Werner/Hans Weiss:
Schwarzbuch der Markennamen - Die Machenschaften der Weltkonzerne, S. 224f)
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